Küchengarten: Partnerwahl der Obstgehölze

Einleitung

Januar 2017 Ob Kirsche, Birne oder Apfel: Allein darf man seinen Baum nicht im Garten stehen lassen! Er braucht einen Partner, dessen Pollen die eigenen Blüten befruchten kann. Und zwar nicht irgendeinen. Von der Sorte hängt es ab!

Bild 1: Gute Obsternte dank erfolgreicher Bestäubung.
Bild 5: Sechs­beiniger ?Bestäubungsbeauftragter? bei der Arbeit

Die Voraussetzung für eine gute Obsternte Bild 1 ist die Be­stäubung mit darauf folgender Befruchtung. Sicher erinnern Sie sich an den Biologieunterricht: Bei der Bestäubung landen an den männlichen Staubgefäßen herangereifte Pollen auf den ­Narben weiblicher Griffel. Sie keimen mit einem Pollenschlauch aus, der zu den Eizellen wächst und diese befruchtet. Das löst das Samenwachstum aus, was wiederum die Basis für eine Fruchtbildung ist. Werden nur wenige Eizellen eines Griffels befruchtet, bilden sich unförmige ­Früchte. Das kommt bei schlechter Witterung oder gar Frost während der Blütezeit vor. Und hängt natürlich stark von der Aktivität der sechs­beinigen "Bestäubungsbeauftragten" ab, den Insekten, die von Blüte zu Blüte fliegen, um Nektar und Pollen zu sammeln Bild 5. Ohne sie geht gar nichts (vgl. Ein Hoch auf die Bestäuber!).

Bild 4: Griffel und Staubgefäße einer Blüte

Selbstunfruchtbarkeit als Überlebenskniff nach oben

Was die meisten unserer Obstarten betrifft, sieht es in Sachen Bestäubung auf den ersten Blick ganz einfach aus: Ihre Blüten enthalten beide Geschlechter, also Griffel und Staubgefäße Bild 4. Nun hat es die Natur jedoch so eingerichtet, dass der Pollen einer Obstsorte für sie selbst unverträglich ist. Landet er auf einem seiner Griffel, keimt er zwar aus, doch der Pollenschlauch wird am Wachstum gehindert Bild 7. Sehr sinnvoll: Pollen anderer Sorten bringen Gene zur Ausbildung neuer Eigenschaften mit, die zum Überleben nötig sind. Durch die stetige Vermischung der Erbinformationen behalten Pflanzen die Fähigkeit, sich an veränderte Bedingungen anzupassen, seien es einwandernde Schaderreger oder klimatische ­Veränderungen. Deshalb ist es auch so wichtig die genetische Vielfalt innerhalb einer Pflanzenart zu erhalten.

Bild 2: Die Blüten dieser Johannisbeere sind "verrieselt", d. h. sie wurden abgeworfen. Die Ursachen können unter anderem schlechtes "Flugwetter" für Bestäuber zur Blütezeit oder zu wenig Pollen anderer Sorten sein.
Bild 3: Hier ist alles bestens gelaufen: Die Fruchtknoten der Blüten sind schon gut gewachsen.
Bild 6: Aufbau zweigeschlechtlicher Blüten: 1 Blütenboden, 2 Kelchblätter, 3 Blütenblatt, 4 Staubgefäße mit Pollensäcken (rot) 5 Griffel mit verdickter Narbe (oben) und Fruchtknoten am Blütenboden
Bild 7: So funktioniert die Selbstunfruchtbarkeit bei vielen Obstgehölzen: Bei der Sorte S1S2 kann der eigene Pollen S1 und S2 die Eizellen nicht befruchten (links). Pollen anderer Sorten wie S3 bzw. S4 (Mitte und rechts) werden nicht abgestoßen.

Was passieren kann, wenn alle Individuen die gleichen Gene besitzen, zeigt sich aktuell bei der Cavendish-Banane, der weltweit am häufigsten gehandelten Sorte. Alle Pflanzen stammen von einem Exemplar ab, und werden nur über Schösslinge vermehrt. Samen zu bilden haben die Züchter der Cavendish nämlich abgewöhnt, so wie manchen Melonen- und Traubensorten auch. Da man Bananen zudem in Monokulturen anbaut, haben sie schier keine Chance gegen Erreger zweier Pilzkrankheiten, die sich seit den 1980er Jahren massiv ausbreiten. Gegenmittel gibt es bis heute keine. Die Banane, wie wir sie kennen, ist vom Aussterben bedroht.

Verzwickte Verwandschaftsverhältnisse nach oben

Bei den hierzulande üblicherweise angebauten Obstarten herrscht glücklicherweise eine noch recht gute Sortenvielfalt. Insbesondere, weil alte Sorten derzeit wieder verstärkt ins Blickfeld geraten, neue gezüchtet und Genbanken aufgebaut werden (vgl. 80 Jahre für eine neue Sorte). Wie steht es also nun bei Kirsche, Pflaume, Apfel, Birne, Beeren & Co. mit der Wahl ihrer ­Bestäubungspartner? So verschieden wie die Früchte, so unterschiedlich sieht es mit auch bei den jeweiligen Vorlieben und Abneigungen unserer Obstarten aus.

  • Äpfel und Birnen sind in der Regel selbstunfruchtbar und somit für eine befriedigende Ernte auf geeignete Bestäubersorten in der Nachbarschaft angewiesen. Geeignet bedeutet: Die Partner müssen zur gleichen Zeit blühen. Und die Sorten müssen miteinander verträglich sein: Nicht jede Apfelsorte kann jede andere befruchten. Einige wenige Apfelsorten gelten als selbstfruchtbar, wie 'Johannes Böttner' und 'Ecolette'. Die Birnen 'Condo' und 'Conference' haben einen anderen Trick drauf: Sie neigen zur Jungfernfrüchtigkeit. Dabei kommt die Fruchtentwicklung nicht durch Bestäubung, sondern etwa durch äußere Reize wie Kälte in Gang.
  • Quitten sind zumeist Selbstbefruchter, tragen aber nach Fremdbestäubung mit Pollen anderer Sorten viel besser.
  • Pflaumen, Zwetschgen und Mirabellen können alles sein, von völlig selbstfruchtbar bis gänzlich selbstunfruchtbar. Selbstfruchtbar sind beispielsweise die Pflaume 'Ontario', die Zwetschgen 'Hanita', 'Stanley' und 'Bühler Frühzwetschge' sowie die Mirabelle 'von Nancy'.
  • Sauerkirschen brauchen meistens keine Fremdbestäubung um Früchte zu bilden, und begnügen sich sogar mit dem Wind als Pollenüberbringer. Die Ernte fällt jedoch bei Fremdbestäubung durch Insekten deutlich höher aus.
  • Süßkirschen dagegen sind richtig kompliziert. Hier herrschen nicht nur Unverträglichkeiten zwischen einzelnen Sorten, sondern ganzen Sortengruppen. Überraschend, dass dennoch einige Sorten selbstfruchtbar sind. Dazu zählen 'Stella', 'Celeste', 'Lapins' und 'Sweetheart'.
  • Beerensträucher, auch Him- und Brombeeren, sind selbstfruchtbar. Doch sowohl Fruchtansatz als auch Frucht­ausbildung werden durch Fremdbestäubung verbessert. Auch, wenn Erdbeeren keine Gehölze sind, sollen sie hier nicht unerwähnt bleiben: Für sie gilt das Gleiche wie für die Beerensträucher.

Tipps für einfache Lösungen nach oben

Wer plant, ein Obstgehölz zu pflanzen (wofür bei frostfreiem Boden jetzt ein guter Zeitpunkt wäre), kann sich anhand von Befruchtertabellen darüber informieren, welchen bzw. welche Partner sich die Favoritensorte wünscht. Unkomplizierter und noch sinnvoller ist es, sich bei einer Qualitätsbaumschule in Ihrer Gegend beraten zu lassen. Die Fachleute finden mit Ihnen zusammen den passenden Baum für Ihre Garten­situation. Und sie wissen, welche Sorten in der Umgebung häufig ­kultiviert werden. Dann braucht man sich um die Bestäubung gar nicht mehr zu kümmern.

Leider gibt es Regionen, wo nur wenig Obstbau betrieben wird. Bei Strauchobst kein Problem: Davon passen leicht mehrere Sorten in einen Garten. Für Baumobst dagegen muss man in der Nachbarschaft herumfragen, welche Sorten dort stehen und seine Wahl danach ausrichten. Die gute Nachricht ist, dass es auch pfiffiger geht. So können Sie eine geeignete Befruchtersorte in Ihren Wunschbaum veredeln lassen. Oder Zierobstgehölze pflanzen bzw. in der Nachbarschaft danach Ausschau halten. Zierapfelsorten liefern guten Befruchterpollen für fast alle Äpfel. Wildkirschen befruchten Süß- und Sauerkirschen; Zierpflaumen Pflaumen und Zwetschgen. Wenn das keine schönen Aussichten sind!

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